Arbeitsüberlastung bei Studenten – die „ruhige Kugel“ ist ein Mythos
Dass das Studentenleben lustig sei, ist eine Annahme, die sich hartnäckig hält. Ab und zu in einer Vorlesung vorbeischauen und ansonsten die Freuden des gar nicht so anstrengenden Uni-Alltags genießen klingt gut – aber leben Studenten wirklich so?
Das Studium – oft anspruchsvoller als die Berufstätigkeit
Wer es am eigenen Leib erlebt, weiß es längst besser, und Umfragen wie der Studentensurvey kommen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der durchschnittliche Studierende wöchentlich rund 31 Stunden für sein Studium aufwendet. Das liegt auch auf der Hand, wenn man weiß, dass jede Stunde einer Veranstaltung rund zwei Stunden an Vor- und Nachbereitung fordert. Hinzu kommen Haus- und Seminararbeiten, Projekte und bei vielen Studenten und Studentinnen noch ein Nebenjob.
Nebenjobs als zusätzliche Belastung
Die Eltern können längst nicht immer das ganze Studium oder auch nur einen Großteil davon finanzieren – und so sind Tätigkeiten, die zehn, fünfzehn oder sogar zwanzig Stunden in der Woche ausmachen, gar nicht so selten. Wie stark sich Studenten neben dem eigentlichen Studium hier ins Zeug legen müssen, bestimmen die Mieten und sonstigen Kosten an der Unistadt, und die können erheblich sein. An der Ruhr-Universität in Bochum kommen Studenten finanziell noch gut weg – in der bayrischen Landeshauptstadt München müssen sie tief in die Tasche greifen.
Spitzenwerte von weit über 40 Wochenstunden in manchen Fächern
Der genannte Durchschnittswert ist außerdem genau das – ein Durchschnitt. In fordernden Studiengängen leisten die Beteiligten noch sehr viel mehr. Human- und Veterinärmediziner und Naturwissenschaftler kommen auf einiges mehr als vierzig Wochenstunden.
Das bedeutet allerdings, dass sie mehr leisten als der normale Berufstätige – und unter erheblichem Stress. Denn jede Bewertung zählt für den angestrebten Studienerfolg. Der Druck und die reine Wochenstundenzahl summieren sich schnell zu einem ausgewachsenen Burnout. Während der Pandemie hat sich die Situation für viele Studenten und Studentinnen noch verschärft.
Allein in der Unistadt, im Lockdown und ohne das ausgleichende Element sozialer Kontakte, für das Studium aber – per Zoom – voll eingespannt, berichteten nicht wenige Betroffene von ausgewachsenen Depressionen nach einigen Wochen. Die materielle Unsicherheit bei allen, die während der Corona-Einschränkungen außerdem auf ihren Nebenjob verzichten mussten, wurde zur weiteren Erschwernis.
Studenten wünschen sich Umgestaltungen der Bologna-Vorgaben
Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum unter Studierenden die Forderungen zunehmen, das Bachelorstudium von drei auf vier Jahre, also um zwei Semester, auszuweiten – ganz einfach, um mehr Zeit zum Lernen zu haben und sich besser auf wichtige Prüfungen vorbereiten zu können. Schon jetzt nutzen immer mehr überlastete Studierende für Abschluss-, Seminar- oder Hausarbeit Ghostwriter, die zumindest einen Teil der Aufgabe, etwa Themenfindung, Exposé oder Lektorat, übernehmen und so dazu beitragen, die ersehnte Abschlussnote zu erhalten.
Mit dem Bachelorabschluss ist für die meisten Studenten noch kein Ende in Sicht – denn rund drei Viertel wollen sich, fächerübergreifend, weiter qualifizieren und streben einen Master an, um für den Arbeitsmarkt besser aufgestellt zu sein.
Kein Wunder, dass die Suchanfragen online vermehrt auch auf Achtsamkeitskurse, Yoga oder andere Entspannungstechniken abzielen, von denen sich gestresste Studenten und Studentinnen eine Hilfe erhoffen, um ihren Alltag ohne langfristige Schäden zu bewältigen.
Studenten mit Kindern und Alleinerziehende sind besonders belastet
Dass nicht nur das soziale Leben, sondern auch die Gesundheit durch die Kombination von Studium und Nebenjob in Mitleidenschaft gezogen werden, liegt auf der Hand – das trifft ganz normale alleinstehende Studenten, noch mehr aber solche, die in einer Partnerschaft leben, Kinder haben oder sogar alleinerziehend den Nachwuchs parallel zu den Lehrveranstaltungen betreuen. Eine Umgestaltung der Studiengänge unter Berücksichtigung des tatsächlichen Arbeitspensums und möglicherweise entlastende Angebote der Hochschulen könnten die Lebens- und Arbeitssituation vieler Studierender deutlich verbessern.