aa -Tagesimpulse wir trauern um....

Dr Helmuth Karasek

wir trauern um den Recken des Literarischen Quartetts Dr Helmut Karassek, der im September im Altern von 81 Jahren verstarb. Ich habe den mit großem Herzen immer gern geschaut, wenn er sich wortreich, girlandengleich mit MRR  Marcel Reich Ranitky gestritten hat. Gewonnen hat oft der letzgenannte, damit kommte Karasek aber gut leben.

“ in einem Quartett muss man wissen wer die erste Geige spielt und so die Regeln der Quartetts beherrschen“.  Insofern konnte sie H. Karasek auch selbst zurücknehmen, wenn es unbedingt Not tat.

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hier ein schöner Bericht im „Tagesspiegel“

Markus Hesselmann

Hellmuth Karasek ist tot, unser früherer Herausgeber und Autor. Wenn meine Mutter daheim im Ruhrgebiet um die Jahrtausendwende herum den Leuten erklären wollte,für welche Zeitung ihr Sohn da in Berlin eigentlich arbeitet, dann sagte sie: „Das ist die, bei der der Karasek schreibt.“ Zuletzt traf ich ihn, als er vor einem Jahr bei uns im Berliner Kiez über Marcel Reich-Ranicki sprach. In der Güntzelstraße, wo Reich-Ranicki in den Dreißigerjahren gewohnt hatte, wurde eine Gedenktafel enthüllt.

Karasek hielt eine Rede über seinen langjährigen Partner im Literarischen Quartett, aber auch – passend zum Bayerischen Viertel – über Billy Wilder, der 1927/28 am Viktoria-Luise-Platz gelebt hatte. Bei einem Berlin-Besuch gingen Wilder und sein Biograph Karasek an den Ort, an dem das im Krieg zerstörte Wohnhaus des Regisseurs gestanden hatte. Schon von weitem fiel Billy Wilder auf, dass an dem Nachfolgebau eine Gedenktafel hing. „Das hättest du mir doch mal erzählen können“, sagte Wilder – bevor sich herausstellte, dass die Gedenktafel nicht ihm sondern dem Komponisten Ferruccio Busoni galt. Noch zu Lebzeiten bekam dann Wilder ebenfalls dort seine Gedenktafel, mit der leicht ironischen Aufschrift, dass hier „auch“ Billy Wilder gelebt habe.

Ich fragte Karasek, ob ich die Rede im Kiezblog veröffentlichen dürfe und das Manuskript haben könne. Er sagte, da habe er nichts gegen, aber leider gebe es kein Manuskript. Der Achtzigjährige hatte fröhlich und frei gesprochen.

Vor dem Ereignis hatte ich mich gefragt, was ich anziehen soll. Ich bin nun einmal am liebsten mit Chucks und Polohemd unterwegs, entschied mich dann aber doch für Jackett und schwarze Lederschuhe. Und was trug Hellmuth Karasek zum feierlichen Anlass? Sonnengelbe Chucks ohne Schnürsenkel.



Die Süddeutsche Zeitung schreibt:

Flüchtlingskind als Witzeerzähler

Hellmuth Karasek war sich selbst nie peinlich.

Hellmuth Karasek wurde als Schreiber bekannt, noch lieber aber plauderte er auf der großen Bühne – und erfand einen neuen Ton fürs deutsche Feuilleton.

Von Lothar Müller

Wann genau er angefangen hat, Witze zu sammeln, ist nicht bekannt. Aber es war in jungen Jahren, und seine Leidenschaft kam nicht von ungefähr: Schlechte Zeiten sind gut für Witze. Als Hellmuth Karasek 1934 im mährischen Brünn geboren wurde, war er Bürger der Tschechoslowakei. Aber Hitler war schon an der Macht, und als Karaseks Familie 1944 aus Oberschlesien nach Bernburg im heutigen Sachsen-Anhalt floh, war aus seiner alten Heimat das Protektorat Böhmen und Mähren des Deutschen Reiches geworden.

Das Flüchtlingskind machte in der DDR Abitur, ging dann in die Bundesrepublik, studierte in Tübingen und hat, wie man in Büchern wie „Go West! Eine Biographie der fünfziger Jahre“ (1996) oder „Auf der Flucht. Erinnerungen“ (2004) nachlesen kann, zweierlei nie vergessen: dass es ein Flüchtlingskind war, und dass dieses Flüchtlingskind in der jungen Bundesrepublik nicht nur mit der wiedererwachenden Theater- und Literaturszene in Berührung kam, sondern zugleich und vor allem mit der amerikanischen Kultur.

Hellmuth Karasek gestorbenWortgewandter Plauderer

Der Literaturkritiker und Schriftsteller Hellmuth Karasek ist tot. Zwölf Jahre trat er in der ZDF-Sendung „Das literarische Quartett“ auf – als milderes Pendant zu Literaturpapst Reich-Ranicki.

Karasek wurde ein Theaterkritiker, der über Bertolt Brecht und den Verfremdungseffekt schrieb und die Boulevardkomödien liebte und der schließlich unter dem Pseudonym „Daniel Doppler“ selber schrieb; ein Literaturkritiker, der über Bücher nicht nur schreiben, sondern auch plaudern konnte; ein Feuilletonredakteur und Dramaturg, der dauernd ins Kino ging. Er wechselte von der Stuttgarter Zeitung 1968 zur Zeit und von da 1974 zumSpiegel, und als er dort 1991 als Redakteur aufhörte und 1996 auch als Autor im Streit schied, hatte er längst begriffen, dass seine Lust an Pointen und Anekdoten und sein Talent zum mündlichen Räsonieren über die Printmedien hinausdrängten.

Verwandlung in eine Billy-Wilder-Figur

Denn er gehörte seit 1988 neben Marcel Reich-Ranicki und Sigrid Löffler zum „Literarischen Quartett“. Da war er in seinem Element, dem mündlichen, und schon auf dem Weg zu seinem besten Buch, einer Biografie über den in Galizien geborenen, in Wien aufgewachsenen, aus Deutschland geflohenen amerikanischen Regisseur Billy Wilder, die 1992 erschien. Sie trug ihren Untertitel „eine Nahaufnahme“ zu Recht, denn sie war aus langjährigen Gesprächen mit Wilder hervorgegangen.

Im „Literarischen Quartett“ war Karasek vom strengen Gesetz der Typenkomödie dazu verurteilt, dem autoritären Prinzipal Reich-Ranicki als gelegentlich aufsässiger und vorlauter, vom Prinzipal aber immer wohlwollend betrachteter Adlatus verlässlich zur Seite zu stehen – loyal auch dann, wenn sich der Prinzipal vergriff, wie in der persönlichen Attacke auf seine Opponentin Sigrid Löffler.

Irgendwann muss Karasek dann beschlossen haben, sich doch lieber selbständig zu machen und sich in eine eigenständige Billy-Wilder-Figur zu verwandeln. Zu der gehörte auch die des unsterblich Verliebten, die er immer dann spielte, wenn es um Marlene Dietrich ging.

Die Gabe, sich selbst nie peinlich zu sein

Sein Romandebüt „Das Magazin“ (1998) war nicht nur ein Schlüsselroman über den Spiegel, es war auch eine Komödie über den Journalismus und eine Fingerübung für die autobiografischen Memoiren-Bücher, in denen Karasek über alles schrieb, was ihn umtrieb – ob es das Alter war („Süßer Vogel Jugend“,2006) oder die Frauen („Frauen sind auch nur Männer“, 2013).

In seinen Anfängen hatte er gezeigt, dass er Bücher charakterisieren konnte wie Menschen. Er wollte dann aber in späteren Jahren lieber alles charakterisieren, im Prinzip Gott und die Welt, und so fand er, als er nach Berlin ging und dort von 1997 bis 2004 Mitherausgeber des Tagesspiegels und dann fester Autor bei Springer wurde – in der Welt, der Welt am Sonntag und der Morgenpost – in der Anekdote, der persönlich gefärbten Kolumne, der plaudernden Glosse sein Lieblingsgenre. Auch damit bewies er Gespür, denn dieses Genre ist heute allgegenwärtig.

Zu der Billy-Wilder-Figur, als die er sich entwarf, gehörte zugleich mehr und mehr, dass er mit Lust in Fernsehshows die Rolle des Prominenten spielte, ob in irgendwelchen Nachtclub-Sendungen, in RTL-Quizshows oder in einer Gala, und dass er dabei Anekdoten nicht nur erzählte, sondern selber produzierte. Denn zu seinen vielen Talenten gehörte die Gabe, sich selbst nie peinlich zu sein. Er konnte sich alle möglichen Albernheiten leisten, weil er wusste, dass ihm, dem Flüchtlingskind, im Ernst etwas gelungen war: im Deutschland der Nachkriegszeit den leichten Plauderton des Vorkriegsfeuilletons neu zu erfinden.

Hellmuth Karasek ist am Dienstag im Alter von 81 Jahren gestorben.

About the author

Giovanni

Giovanni ist studierter Jurist und Philosoph als Marketingleiter bei einem Mittelständler unterwegs, Geschäftsführer einer Agentur, ehrenamtlicher Sterbebegleiter, zertifizierter Trauerbegleiter, Beirat ITA Institut für Trauerarbeit, Mitgliedschaften: Marketing Club Hamburg, Büchergilde Hamburg, Förderverein Palliativstation UKE, ITA, Kaifu Lodge, Kaifu-Ritter