aa -Tagesimpulse d Zukunft gestalten

Pflegeperspektive 2050 Hamburg

Wie entwickelt sich Hamburgs Pflege-Wirtschaft aus wissenschaftlicher Sicht?

Die BARMER Ersatzkasse lud am 1.6.2017 zu einem spannenden Abend über die Herausforderungen der Pflege in den nächsten 33 Jahren ein. Einleitend sprach die Senatorin Frau  Prüfer-Storcks, die an den verschiedensten Stellen ausleuchtete, wie gut Hamburg im bundesweiten Vergleich für die Herausforderungen der Pflegewirtschaft aufgestellt ist.  Innovationsschritt ist die Umlagefinanzierung der Pflegeausbildung seit 2013 die zu einem 30 % Anstieg der Pflegeschüler geführt hat. Es wird im Ministerium gerade eine Image-Kampange ausgearbeitet, die für die Pflegeberuf werden soll. Die ehemalige Heimaufsicht soll gestärkt werden, so dass Mängel in der Pflege gleichverteilt durch die Bezirke scharf kontrolliert werden können. Eine Unterhölung durch russische oder sonstwelche Pflegegesellschaften, die zu massiven Betrugsfällen im Hamburger Pflegeraum geführt hätten, könnten nicht verzeichnet werden. Unter anderem auch durch die Task-Force Pflege, die genau bei abweichenden Kosten-Determinanten Pflegedienste, bzw. Einrichtungen überprüft. Wie man in der Berliner Presse nachlesen konnte, will die Stadt Berlin das Hamburger Pflege-Controlling-Modell durch eine Pflege Task-Force kopieren…. Sind in Berlin nicht genug kluge Menschen unterwegs, um zu begreifen, dass Vertrauen auf….  immer eine sehr schlechte Wirtschaftsform ist?

Den Impulsvortrag hielt Prof Rothgang der Uni Bremen, der das Institut SOCIUM leitet. Zitat von deren Website, link:

Das SOCIUM ist bundesweit das einzige sozialwissenschaftliche Forschungsinstitut, das Fragen von Ungleichheit, Sozialpolitik sowie deren gesellschaftliche und politische Wechselwirkungen empirisch wie theoretisch untersucht. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der fächerübergreifenden Forschung zu den sozialen, ökonomischen, politischen, kulturellen, organisatorischen, rechtlichen, historischen und sozial-medizinischen Bedingungen und Folgen sozialer Ungleichheit, staatlicher Sozialpolitik sowie deren Wechselwirkungen. Disziplinär getragen wird diese Forschung vor allem von Soziologie, Politik-, Gesundheits-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften.

Der Prof Rothgang ist auch Mitautor des BARMER Pflegereports. Seine Kernthesen lauten:

1. Hamburg ist aufgrund des Zuzugs von jungen Menschen eine Wachstumsregion, so dass kurz und mittelfristig die Altersüberlastung der Gesellschaft in Hamburg zunächst nicht ankommt. Wachstumsmetropolen haben echte Entwicklungspotentiale, die den demografischen Changeprozeß nach hinten verlagert. Der Change schlägt dann um 2050 durch, so die These.

2.  Hamburg ist mit dem extrem schlechten Wert für häusliche Pflege durch Angehörige ein typisches Großstadt-Phänomen.  Der bundesweite Schnitt liegt bei über 50 %, in Hamburg sind es deutlichst unter 40 %. Daraus ergeben sich höhere Bedarfe an Pflegepersonal.

3.  Angeblich würde die Altersgesellschaft Hamburg 2050 einholen, während es in Mecklenburg-Vorpommern, dessen Altersstrukturen jetzt völlig überaltert wären, dann kein Problem mehr gäbe,weil die Landstriche deutlichst mehr entvölkert wären. (Wenn Hamburg aber weiter deutlich wachsen würde, nicht stetig, sonder überproportional, dann ergäbe sich diese Alterschichtenverteilung nicht)

4. Die Teilzeitbeschäftigung zu einem extrem hohen Prozentsatz ist ein Wachstumspotential um die dramatisch steigenden Bedarfe an Pflegepersonal zu befriedigen.

5. Es bedarf intelligenter Arbeitszeitmodelle, mit der die Bedarfsspitzen in der Pflege, morgens und abends, gut abgefangen werden können.

6. Laut der Einschätzung des Professors sollte es einen dramatischen Bedarf an Pflege in den nächsten Jahrzehnten in Hamburg geben.(Eine gewagte These, ceteris paribus voraussetzend. Warum kann man den Anteil der Familienpflege durch entsprechende staatliche Förderung nicht deutlich steigern?)

7. Eine Substitution des Gaps von Pflegepersonal durch Migrationsflüchtlinge ist keine Lösung, da es viel zu wenige gibt, die bereit sind in der Pflege zu arbeiten. Der typische Flüchtling ist männlich und jung und aus deren Machomännerweltmodellen ist Pflege kein adäquater Männerberuf, abgesehen von den extrem geringen Qualifizierungen der Flüchtlinge und dem Sprachproblem.

8. Eine Substitution durch technische Gerätschaft, Pflegeroboter, ist keine gesellschaftsakzeptierte Lösung des „Pflegenotstandes“.

9. Die im Sommer 2017 zu beschließende Neuregelung des Ausbildungsberufs Pflege impliziert eine bessere Durchlässigkeit der verschiedenen Pflegesettings: Krankenhaus, ambulante Pflege, stationäre Altenpflege

10. Alternative, multigenerationale Wohnmodelle könnten die Strukturen positiv kaschieren,

11. Altenheime auf dem Land, „am Waldesrand“ ohne gute Anbindung an die jüngere Gesesellschaft, sprich Quartier sind doppelplusungut, weil sie die Potentiale an Ehrenamtlichen aus dem Quartier eo ipso nicht ausschöpfen können. (Abgesehen davon, dass sich älteren Mitbürger dort völlig abgeschoben und entgesellschaftlicht fühlen)

12. Der Staat und seine Gesellschaftssubjekte sollte deutlich mehr tun, um mehr Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern. Dazu ist es gut in den Schulen das Berufsbild klar zu differenzieren. Laut seinen Studien brechen die meisten Beschäftigten in der Pflege ihre Tätigkeit nach ein paar Jahren ab, weil es eine deutliche Dissonanz gibt zwischen der Art und Weise wie sich die zuwendende Pflege vorstellen und wie es in praxi aussieht.

13.  Wachstumspotentiale sieht Rothgang auch in der Verlängerung der pflegerischen Erwerbsbiografie. So könnten Pflegekräfte nach der Kinderpause reaktiviert werden, weil der Pflegeberuf auch durchaus in höheren Altersklassen gut ausgeübt werden kann.

14. Wachstumspotentiale liegen in der Weiterqualifizierung der Pflegehelfer und sonstigen nicht qualifizierten Pflegekräfte, die durch Weiterqualifizierung zu höheren Einkommen kämen, besserer Arbeitszufriedenheit und gleichzeitig könnte damit auf einer guten Basis die Fachquote in Einrichtungen gesteigert werden.

Was kann man in der Altenpflege verdienen?

Der Pressesprecher von „Pflegen und Wohnen“ stellte im Podiumsgespräch klar, dass man in der Einrichtung 3000 € pro Monat verdienen könne, als examinierte Pflegekraft.

Ist das neue Ausbildungsmodell für die Pflege positiv zu bewerten?

Der Chef des UKE für Patientenmanagement war super entspannt in Hinblick auf die Reform der Pflegeausbilung. „ Wir erwarten von Ärzten auch nicht , dass sie nach 12 Semestern Medizinstudium ein ausgewachsener Arzt ist. Das gleiche gilt für die Krankenpflegekräfte, die wir sehr gerne weiterqualifizieren“

Bildrechte pixabay CC 27707

 

About the author

Giovanni

Giovanni ist studierter Jurist und Philosoph als Marketingleiter bei einem Mittelständler unterwegs, Geschäftsführer einer Agentur, ehrenamtlicher Sterbebegleiter, zertifizierter Trauerbegleiter, Beirat ITA Institut für Trauerarbeit, Mitgliedschaften: Marketing Club Hamburg, Büchergilde Hamburg, Förderverein Palliativstation UKE, ITA, Kaifu Lodge, Kaifu-Ritter