aa -Tagesimpulse Übergänge

Trauerprozesse

Die Psychologie-Professorin Verena Kast hat in Hamburg Volksdorf über Trauerprozesse doziert

Verena Kast, die Ikone der Trauerforschung im gesamten deutschsprachigen Raum, hat uns anhand eines Fallbeispiels über das Wesen der Trauer und der Verlustprozesse aufgeklärt. Die Patientin konnte den Verlust ihres Mannes nur schwer verwinden, der mit Anfang 50 gegangen ist.  In der mittleren Trauerphase kam dann die schon fast prototypische Lebenseinstellung hoch: „Das hat doch alles keinen Sinn.“  Genau das war auch die Fragestellung, unter der Kast eingeladen wurde. Ihr Kerngedanke war:

Das Aushalten der Sinnlosigkeit ist gerade die Sinnbegründung.

Selbstverständlich können nicht alle Lebensphasen und alle Lebensübergänge für uns erkennbar eine Sinnbezüglichkeit und Sinnhaftigkeit aufweisen. Insbesondere wenn ein von Herzen geliebter Mensch uns entrissen wird, ohne triftigen Grund, fühlen wir uns der vollkommenen Willkür ausgesetzt. Wir dürfen eben nicht mitentscheiden,  ob der Tod jetzt kommt und wen er mitnimmt.

posttraumatic growth

Ein wirklich schöner bis tröstlicher Gedanke ist, dass man nach traumatischen Lebensereignissen auch Wachsen kann an der inneren Ausstrahlung, der Ausstrahlung und seinem ganzen Sein. Der der psychologischen Fachsprache nennt man das posttraumatic growth – das Wachstum nach einer Trauma-Erfahrung. 1995 hat der US-Amerikanische Psychologie Prof Richard G. Tedeschi diesen Begriff eingeführt, der eigentlich eine noch nicht erforschte Wesenheit, die Wachstumsstufen aufgrund eines traumatischen Ereignisses beschreibt. Bei Wiki wird geschrieben, dass sogar der überwiegende Anteil der Patienten wächst Zitat Wiki:


Der Psychologe Richard G. Tedeschi, der als Professor an der UNC Charlotte lehrt, hat zusammen mit seinem Team 5 Bereiche des posttraumatischen Wachstums herausgearbeitet:[2][4]

  1. Intensivierung der Wertschätzung des Lebens: Der durch das traumatische Erlebnis ausgelöste Reifungsprozess führt zu einer Veränderung der Prioritäten. Die Bedeutung der kleinen, alltäglichen Dinge nimmt zu. Materielle Dinge verlieren an Wert, persönliche Beziehungen gewinnen an Wert.
  2. Intensivierung der persönlichen Beziehungen: Das traumatische Ereignis hat einen Teil der alten Beziehungen zerstört. Die überlebenden Beziehungen („in der Not erkennt man die wahren Freunde“) werden intensiviert. Gleichzeitig nimmt die Fähigkeit zur Empathie zu. Traumabetroffene Personen empfinden ein erhöhtes Mitgefühl mit anderen, vor allem mit notleidenden Menschen.
  3. Bewusstwerdung der eigenen Stärken: Gerade durch das Bewusstwerden der eigenen Verletzlichkeit wächst auch das Gefühl der inneren Stärke. Man weiß nun, dass zwar die Sicherheit im Leben jederzeit angreifbar ist, aber auch, dass man die Folgen schlimmer Ereignisse meistern kann.
  4. Entdeckung von neuen Möglichkeiten im Leben: Nachdem alte Ziele zerbrochen bzw. entwertet wurden, sucht man nun nach neuen Zielen und Aufgaben. Dies kann mit einem Berufswechsel oder mit intensivem sozialen Engagement verbunden sein.
  5. Intensivierung des spirituellen Bewusstseins: Das durch das traumatische Ereignis herbeigeführte Grenzerlebnis wirft existenzielle Fragen auf. Die daraus resultierenden Reflexionen über den Lebenssinn und / oder über Gott können zu einer größeren spirituellen Erkenntnis und zu größerer inneren Zufriedenheit führen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass aus einem Verlust ein Gewinn entsteht. Die Traumabetroffenen erkennen die im Leben angelegten Paradoxien (z. B. Verletzlichkeit und Stärke). Diese führen zu dialektischem Denken und damit zu einem Zugewinn an Reife und Weisheit. Richard G. Tedeschi geht davon aus, dass bis zu 90 Prozent von Trauma-Überlebenden mindestens einen Aspekt des posttraumatischen Wachstums erfahren.


In diesem Sinne des posttraumatic growth ist auch die Patienten aus dem Fallbeispiel gewachsen. Sie konnte irgendwann doch die Schönheit des Lebens und der Natur wiederentdecken und hat sich einem sozialen Entwicklungsprojekt verschrieben.

Übergriffe der Seelsorgenden

Auch spannend der Gedanke für die Sterbebegleitung, als auch die Trauerbegleitung: wie verhält es sich mit den eigenen Vorstellung über einen guten Ablösungsprozess im Lichte der Gedankenwelt des Moribunden und Sterbenden. Verena Kast formuliert negative Beispiele von aufgestülpten Vorstellungen von Sterbebegleitern, die sich überhaupt nicht scherten um das Wollen der Sterbenden, sondern einfach ihr „gottherrliches“ Konzept auf die Klienten überstülpten.

Eigentlich lernt man in der Sterbebegleiterausbildung natürlich, dass man sich einzig nach den Bedürfnissen des Klienten zu richten hat. Natürlich darf man die Ansichten durch seinen eigenen Filter schicken, aber sollte dann abwägen, ob man seine eigenen Wertevorstellungen wirklich durchdrücken möchte. Verne Kast:“ Ich glaube ich schreibe in meine Patientenverfügung hinein, dass ich keine überfliegenden Betreuungskonzepte wünsche“.  Wir in der Seelsorge tätigen sollten uns das hinter die Ohren schreiben. Schon in der antiken Philosophie – Aristoteles –  wird viel geschrieben über das richtige Maß. Wer mehr über das rechte Maß bei Aristoteles nachlesen möchte, kann das in dieser Philsophischen Hausarbeit der Uni Mainz tun, link.

Das Wort Prozess leitet sich ab von lat. procedere = vorwärts gehen.

Hier könnt ihr eine ausführliche Berichterstattung auf der Website von „Quo Vadis Hamburg“ über den Abend nachlesen, link.

Wie gehen wir mit der Erinnerung um, wenn wir einen Toten zu beklagen haben?

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Trauerprozess Kast

Bildrechte pixabay CC janeb13, Institut für Lebenskunde

About the author

Giovanni

Giovanni ist studierter Jurist und Philosoph als Marketingleiter bei einem Mittelständler unterwegs, Geschäftsführer einer Agentur, ehrenamtlicher Sterbebegleiter, zertifizierter Trauerbegleiter, Beirat ITA Institut für Trauerarbeit, Mitgliedschaften: Marketing Club Hamburg, Büchergilde Hamburg, Förderverein Palliativstation UKE, ITA, Kaifu Lodge, Kaifu-Ritter