Wie können wir Unternehmen in der Unternehmenskultur fortentwickeln?
In einem luziden Vortrag von Jürgen Bock, Unternehmensentwickler beim Otto Versand in Hamburg, konnten wir Mitglieder vom Marketingclub Hamburg lernen, wie man sich für das 21. Jahrhundert aufgestellt in Bezug auf die Unternehmenskultur und Unternehmensführung. Hier kommst Du zur Website des Unternehmensberaters Jürgen Bock , link.
(Kleines Detail am Rande: In der Firmenseiten titel-tag steht scheinbar www,jürgenbock.de in Wirklichkeit heißt die Adresse aber anders, weil die Internetsprache keine Umlaute wie ä darstellen kann : http://www.xn--jrgenbock-q9a.de/ Chapeau!)
Der Jurist Jürgen Bock führte aus, dass es für die Unternehmensentwicklung wichtig ist, dass die Mitarbeiter- MA- selbst das Unternehmen sein wollen, das Unternehmen entwickeln möchten, das Unternehmen mit ihrem Denkwerkzeugen und Herzpulsschlag nach vorne bringen wollen. Unternehmensstrategien, die nur aufgesetzt sind, die vom Vorstand in das Unternehmen verordnet worden sind, sind so energetisch wirksam, wie ein nasser Schwamm – alle Energie verschwindet und wird absorbiert. Wenn in den Köpfen der Menschen das Wollen motiviert wird, dann entwickeln sich neue Visionen.
Empowerment – die Machtkräfte des Seins entfachen
Wiki schreibt zu Empowerment:
„Empowerment (von engl. empowerment = Ermächtigung, Übertragung von Verantwortung) bezeichnet man Strategien und Maßnahmen, die den Grad an Autonomie und Selbstbestimmung im Leben von Menschen oder Gemeinschaften erhöhen sollen und es ihnen ermöglichen, ihre Interessen (wieder) eigenmächtig, selbstverantwortlich und selbstbestimmt zu vertreten. Empowerment bezeichnet dabei sowohl den Prozess der Selbstbemächtigung als auch die professionelle Unterstützung der Menschen, ihr Gefühl der Macht- und Einflusslosigkeit (powerlessness) zu überwinden und ihre Gestaltungsspielräume und Ressourcen wahrzunehmen und zu nutzen. Voraussetzungen für Empowerment innerhalb einer Organisation sind eine Vertrauenskultur und die Bereitschaft zur Delegation von Verantwortung auf allen Hierarchieebenen, eine entsprechende Qualifizierung und passende Kommunikationssysteme. Der Begriff Empowerment wird auch für einen erreichten Zustand von Selbstverantwortung und Selbstbestimmung verwendet; in diesem Sinn wird im Deutschen Empowerment gelegentlich auch als Selbstkompetenz bezeichnet.“
Durch die Förderung der Mitarbeiter, das Empowerment, die Entfaltung und Entflammung der Möglichkeiten jedes einzelnen Mitarbeiters wächst, gedeiht ein Unternehmen, es entflammt förmlich im positivsten Sinne.
Aufbrechen der Unternehmens-Hierarchien bei OTTO
Laut den Ausführung von Jürgen Bock hat der Konzernbeschluß das DU allen Mitarbeitern anzubieten zu einer förmlichen Revolution geführt. Ich kenne die alten Strukturen einer tief gestaffelten Hierarchie noch gut von Axel Springer, wo ich für die absolute cash-cow BILD im Marketing gearbeitet habe viele Jahre. Der Gesamtwerbeleiter mußte mit den Kreationen zum Verlagsleiter der roten Gruppe antanzen. Nur bei extrem guter Laune durfte der Werbeleiter BILD mitkommen. Der Verlagsgeschäftsführer der roten Gruppe berichtete nach Berlin an die Konzernzentrale von Dr. Döpfner. So war das Führungsprinzip viele Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte in Deutschland. Heutzutage kommt die Generation Y in die Unternehmen und brechen diese Hierarchien, weil ihnen Positionen völlig egal sind. Bock berichtete von einer Praktikantin, die mit einem Arbeitsprojekt tatsächlich einen Termin beim Vorstand bekommen hat und der ihren konzeptionellen Ansatz so spannend fand, dass sie eine Arbeitsgruppe mit jungen Kreativkräften bilden durfte. Ein unglaublicher Change-Prozess, der alle Strukturen zu unterlaufen scheint. Wenn am Ende des Tages Herzblut, Power und neue Impulskraft gezeitigt wird, dann ist doch jedes Mittel recht, um ein Unternehmen neu auszurichten. Wenn man nicht den modernen Unternehmenskulturen entgegenschwimmt, und/oder sie mitgestaltet geht es auch größeren Konzernen wie dem Neckermann-Versand, der den Sprung in das 21 Jahrhundert nicht überlebt hat, weil er den digitalen Sprung nicht denken konnte und dann sein Schiff gegen den Felsen der Marktdynamiken gesetzt hat. Der Felsen ist stärker, egal wie groß der Tanker ist, den man zu steuern meint.
Workspaces schaffen
Nicht nur von Google wissen wir es, sondern auch beim Neubau von Philips in Hamburg, 2016 kann man feststellen, dass die modernen Wachstumskräfte nicht mehr zwangsläufig in öden Konferenzräumen entstehen, sondern in hippen, dynamikfördernden Workplaces. Dort treffen dann die Mitarbeiter aus den verschiedensten Fachbereichen aufeinander und entwickeln neue Denkansätze und Unternehmensformen. Bock erläuterte, dass der Mitarbeiter früher gerne in der Nähe des/der ChefsIN gearbeitet hat, damit der sehen konnte, wie fleißig man ist. Es bedurftete eines Change-Prozesses im Denken der Führungskräfte und der Mitarbeiter, dass man über Vertrauen auch Kraft gewinnen kann. In der Psychologie wird gerne der Begriff Kontrollverlust-Angst gehandelt – offensichtlich hat der Change in der Unternehmenskultur bei OTTO dazu geführt, dass mit Vertrauen auf die Kraft der Mitarbeiter gesetzt wird.
Erholungsräume schaffen
Auch spannend, dass ein Teil der neuen Unternehmenskultur ist, dass es zur Mittagszeit in speziell definierten Zeit-Räumen und Erholungs-Räumen sehr ungewöhnliche Angebote gibt bei OTTO. So treten dort Hiphopper auf, es gibt eine Mittags-Disko, das Thalia Theater macht dort Lesungen, oder Poetry Slammer treten auf. Auch eine Grundidee aus den Vereinigten Staaten, aber dennoch total positiv, denn es geht nicht darum Zitat aus der Managerwelt : “ die Mitarbeiter möglichst so weit auszupressen, wie es nur geht“ , sondern den Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, sich wohl zu fühlen, auf gleicher Augenhöhe zu arbeiten und in einem großen Gedankenraum von Wertschätzung. Wertschätzung ist das Zauberwort, mit dem man auch die Generation Y fangen kann, denn sie wollen nicht mehr bis zum Umfallen arbeiten, sondern idealer Weise auch Freude bei der Arbeit haben – wow, was für ein ganz neuer Gedankenstrom.
Nietzsches Grundidee die Welt neu zu denken
Einer der wichtigsten Deutschen Philosophen Nietzsche hat im 19 Jahrhundert gefordert, „die Umwertung aller Werte“.
Man hat das Gefühl, dass bei OTTO gerade ein unglaublicher Change-Prozess angelaufen ist, der die Werte-Korsetts der letzten 60 Jahre galant über den Haufen wirft, um Wachstumsprozesse für das Unternehmen zu realisieren – ganz im Sinne von Friedrich Nietzsches Umwertung aller bestehenden Werte. Chapeau!
Wachtumsdynamiken durch Arbeitsprojekte entfachen
Man sollte auch mal krumme Wege gehen, damit man zum Ziel kommt. Die Zahlen-Ziel-Fokusssierung des 20 Jahrhunderts scheint überholt zu sein, bzw. ist zu einer Teilbetrachtungsebene abgewertet worden. Bock erzählt von einem Filmprojekt, dass Führungskräfte in Canne zu den Filmfestspielen einreichen wollten. Es gelang ihnen nicht in das System der Filmschaffenden einzubrechen. Sie gaben aber nicht auf, sondern mieteten sich einen Strandclub mit 72 Plätzen und die Aufgabe der Führungskräfte bestand darin, dass diese Plätze gefüllt werden sollten, um diesen Film zu schauen. Es gelang tatsächlich. Der Kern der Geschichte ist die Verbindungslinienschaffung zwischen den Teilnehmern, denn nun wird das Silodenken aufgeweicht, das Gewinnopitimierungs-Denken abgeschafft und das Denken in der Kategorie wie stelle ich meine Leistung möglichst weit nach vorne auf Kosten der anderen. Es ist eher ein TEAM-Entwicklungs-Gedanke, der jeden Player es ermöglich sein Solo zu spielen und zwar in der Weise, dass die anderen Mitspieler zuhören und ihre Arbeit an den Gedanken des einen Redners, Denkers ausrichten. Schon Kleist hat es in seiner Schrift beschrieben in der allmählichen Verfertigung von Gedanken, dass im gemeinsamen Denken ganz neue Erkenntnisse erwachsen können, neue Gedankenräume gewinnen Gestalt und so gestaltet sich ein Unternehmen gänzlich neu und zwar von Innen heraus, ganz ohne Unternehmensberater a la „Kienbaum“ und Consorten.